HERBORN. Die einen haben einen Jan Kneifel, die anderen haben ihn nicht. Der Stürmer des TSV Bicken ist mit seinen beiden Treffern in der 23. Minute und in der Nachspielzeit beim 2:0 über den SSV Sechshelden der entscheidende Mann im Pokalfinale gewesen. Doch was wäre gewesen, hätte Sechshelden seine „Hundertprozentige“ durch Björn Diebel genutzt, und hätte Faruk Bulutlars Abseitstreffer gezählt?
Als die Akteure den Dauerregen der ersten Halbzeit und die an Torchancen reiche Schlussoffensive des zweiten Durchgangs überstanden hatten, stemmte Bickens Kapitän Finn Schäfer die Trophäe im Kreise seiner Mannschaftskameraden jubelnd in die Luft. Fragen nach dem Wie und Warum spielten für einige Minuten keine Rolle. Doch sie drängten sich in den Gesprächen mit den beiden Trainern rasch wieder auf.
So schwierig, wie dieses Pokalfinale zu spielen war - pandemiebedingt erstmals mitten in der Saisonvorbereitung anstatt am Saisonende, wenn alle Abläufe viel besser greifen -, so schwierig ist es, über dieses Spiel zu berichten und gerecht zu urteilen.
So ließ Sechsheldens Trainer Ufuk Benzerli auf seine Mannschaft nichts kommen, obwohl sie eigentlich erst in der Schlussphase zu überzeugen wusste. Er sagte: „Ich bin stolz auf meine Mannschaft. Sie hat eine gute Einstellung gezeigt und den Kampf angenommen. In der zweiten Halbzeit war es eine knappe Angelegenheit, wie im Halbfinale gegen Burg. Die neuen Spieler haben sich gut eingefügt. Dass die Jungs zum Schluss noch einmal für Dampf gesorgt haben, zeigt, dass alle topfit sind.“ Gemessen an den letzten 20 Minuten wäre das Erreichen der Verlängerung sogar verdient gewesen.
Auf der anderen Seite ging Bickens Trainer Arnd Rübsamen mit seiner Elf hart ins Gericht: „Im Finale hat meine Mannschaft ihren schlechtesten Auftritt in dieser Pokalsaison gezeigt. Das war kein Fußball auf Gruppenliga-Niveau. Ich habe die Dominanz vermisst, die wir aufgrund unserer vielen Ballbesitzphasen eigentlich gehabt haben müssten. Es war ein knapper, dreckiger Sieg, und wir müssen uns bei unserem Torhüter Sascha Fünfsinn bedanken, dass wir jetzt Pokalsieger sind.“ Dabei war der Ball doch derart flüssig durch die Reihen gelaufen, als hätten die vier neuen Akteure in der Startelf - Sascha Fünfsinn, Tobias Hild, Emre Geyik und Jan Kneifel - schon immer mit den anderen zusammengespielt.
Das Zusammenspiel sah jedenfalls sehr viel selbstverständlicher aus als das, was der SSV Sechshelden in der Bewegung nach vorn anzubieten hatte. Der Kreisoberligist leistete sich im Spielaufbau viele Fehlpässe. Und beim Transport des Balls in die Spitze oder in den Raum hinter die Verteidiger gab es zu viele Anspiele auf Verdacht. Risikofreude allein - das hat als Ersatz für ein ballsicheres Kombinationsspiel nicht funktioniert.
Für Trainer Ufuk Benzerli spielte aber auch der Klassen- und Qualitätsunterschied eine Rolle: „Meine Jungs hatten vor Bicken doch schon einigen Respekt“, sagte er. Auch das muss man festhalten: Die Bickener Innenverteidigung erledigte ihren Job meistens in regelrecht bestechender Art und Weise.
Letztendlich machte aber auch der Gruppenligist zu wenig aus seinem Ballbesitz. Wenn es einmal ansatzweise zwingend wurde, dann hatte garantiert Kapitän Finn Schäfer einen Fuß oder seinen Kopf am Ball. Als Mann für den letzten Pass fiel er im ersten Abschnitt deutlich auf.
Der Führungstreffer entstand trotzdem eher zufällig: Im Anschluss an einen Eckball bekam Sechshelden die Kugel nicht aus dem Strafraum geschlagen. Der Ball flipperte vor die Fuße von Jan Kneifel, der ihn aus acht Metern in die Maschen ballerte. Kurz darauf entstand auch die zweite Großchance unter Mithilfe des SSV Sechshelden. Nach einem Ballverlust der Alemannen lief Bicken mit drei Mann auf die beiden Innenverteidiger zu, spielte die Sache aber nicht konsequent zu Ende. In der dritten Szene wiederum klärte Moritz Mäde in höchster Not zur Ecke, forderte wenig später von seinen Mitspielern noch vor dem Pausenpfiff den Ausgleich. Denn auch das stimmt: Letztendlich hatte SSV-Keeper Isamil Somak nicht wirklich Arbeit bekommen. Auch Bickens Sascha Fünfsinn musste bei Aziz Kulles Schuss übers Tor nicht eingreifen.
Spannend wurde es eigentlich erst in den letzten 20 Minuten, in denen Sechshelden sich endlich etwas zutraute, nachdem Bicken bei Angriffen über Fabian Bräuer zweimal dem entscheidenden zweiten Treffer nahegekommen war.
Der erste wirklich konsequent gespielte Angriff des Kreisoberligisten hätte den Ausgleich bedeuten müssen. Die Mittelfeldspieler schoben weiter nach vorn, Sechshelden gewann ungefähr 30 Meter vor dem Bickener Tor den Ball und war ruckzuck mit vier Mann im Strafraum. Aziz Kulle chippte den Ball perfekt auf den langen Pfosten, wo Björn Diebel dabei war, den Ball ins leere Tor zu nicken. Doch die Kugel sprang zum Entsetzen aller, die es mit den Alemannen hielten, eine Armlänge neben dem Gestänge ins Grundlinienaus.
Wenig später ließ Faruk Bulutlar den Ball nach einer Freistoßflanke mit dem Kopf ins Netz tropfen - Abseits! Bulutlar war danach erneut frei durch. Sascha Fünfsinn schnappte sich den Ball kurz vor dem Stürmer. Drei Top-Torchancen binnen weniger Minuten: Der SSV Sechshelden war endlich im Spiel, während sich der TSV Bicken aus der Begegnung zu verabschieden schien. Man ahnte, was Arnd Rübsamen ärgerte.
Bicken allerdings setzte seinen „Lucky Punch“, wieder über links, erneut über Fabian Bräuer. Bei seiner ersten Hereingabe rutschte Arian Gojani aus, bevor der den Ball einschieben konnte. Bräuers zweiten Assist verwertete Jan Kneifel (90. + 1.) zum 2:0. So knapp hätte aus Sicht des Gruppenligisten gar nicht werden müssen. Der „Mann des Spiels“, er war in Jan Kneifel gefunden.
SSV Sechshelden: Ismail Somak, Macell Six, Lukas Seibt, Tim Becker (30. Simon Stiebing), Moritz Mäde, Björn Diebel, Sezer Solmaz, Faruk Bulutlar, Sebastian Reeh (52. Leon Stiebing), Aziz Kulle, Chirom Buhl (90. „Kingsley“ Mukyadin Abdilahi Abdi).
TSV Bicken: Sascha Fünfsinn, Konstantin Zygan, Tobias Hild, Nils Benner, Finn Schäfer (69. Till Peters), Emre Geyik (62. Arian Gojani), Furkan Yaglu, Jan Kneifel, Fabian Bräuer, Robert Cloos, Hermon Tega (78. Tim Wölfert).
Schiedsrichter: Joel Gillner, Daniel Franz, Fynn Bernhardt. - Zuschauer: 250. - Tore: 0:1 Jan Kneifel (23.), 0:2 Jan Kneifel (90. + 1.).